CDU und CSU - Streitende Schwestern bis zum 14. Oktober?  

  24 März 2018    Gelesen: 540
CDU und CSU - Streitende Schwestern bis zum 14. Oktober?
 

Berlin (Reuters) - Es ist erst gut eine Woche her, dass das vierte Kabinett von Kanzlerin Angela Merkel vereidigt wurde.

“Tempo, Tempo” ist die Botschaft, die sowohl Merkel als auch Unions-Fraktionschef Volker Kauder und seine SPD-Kollegin Andrea Nahles angesichts der sechsmonatigen Regierungsbildung verordnet haben. Doch gerade die Union liefert seit der Regierungsbildung einen medialen Dauerstreit über Islam, Abtreibung, Grenzschutz und Armut. “Und es ist absehbar, dass die Profilierung der CSU noch bis Oktober andauern wird - genauer gesagt bis zur bayerischen Landtagswahl am 14. Oktober”, sagt ein CDU-Bundesvorstandsmitglied.

Zwar hatte es auch CDU-interne Kritik an Äußerungen von Gesundheitsminister Jens Spahn zu Hartz IV gegeben. Aber vor allem zwischen CDU und CSU ist die alte Fehde wieder ausgebrochen, wie sich die AfD am besten bekämpfen lässt. Grob gesagt lautet die Überzeugung der meisten Mitglieder in der CDU-Führungsspitze: “Nicht rechten Parolen hinterherrennen”, das stärke nur das “Original” - nämlich die AfD. Deshalb hagelte es Kritik beim Satz von CSU-Chef und Innenminister Horst Seehofer, dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre - und auch seinem Plädoyer für mehr nationalen Grenzschutz. Es gebe für Mitglieder einer Bundesregierung eine Gesamtverantwortung für das Land, und die verbiete spaltende Bemerkungen - weshalb auch Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel dem CSU-Chef öffentlich widersprach.

Die CSU setzt im Gegenteil stärker darauf, Themen bewusst aufzugreifen, die Wähler am rechten Rand bewegen - und das mit einer derberen Sprache. Das erklärt, wieso CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt Merkel bei der Generaldebatte im Bundestag am Mittwoch bewusst und umgehend widersprach und die Islam-Bemerkung noch toppte: “Der Islam gehört in egal welcher Form nicht zu Deutschland” und gleich noch die - auch bei der AfD zu findende - Kritik anbrachte, er sei gegen einen “Maulkorb”. CSU-Generalsekretär Markus Blume warnte vor einer “Unterdrückung” der Debatte.

Paradoxerweise fühlen sich nun gleich beide Seiten durch eine neue Umfrage in Bayern bestätigt: Denn laut einer am Mittwoch veröffentlichten GMX-Erhebung für Sat.1-Bayern steigt die CSU in der Wählergunst auf 43 Prozent - aber die AfD schneidet mit zwölf Prozent ebenfalls gut ab. Die CSU kommt damit ihrem Ziel näher, am 14. Oktober mit dem neuen Ministerpräsidenten Markus Söder doch wieder die absolute Mehrheit zu verteidigen und fühlt sich bestätigt. Aber in der CDU-Spitze wird wiederum darauf verwiesen, dass die Strategie einer AfD-Schwächung erkennbar nicht aufgehe. Nördliche, liberale CDU-Landesverbände seien dabei viel erfolgreicher, weil sie eben nicht dauernd über die Flüchtlingsthematik redeten, weshalb die AfD in Landtagswahlen höchstens auf mittlere einstellige Prozentwerte gekommen sei.

“NIEMANDEN DARAN HINDERN ZU KOMMEN”

Letztlich tragen vor allem Merkel und Seehofer damit einen ritualisierten Grundsatzstreit aus, der die beiden Parteien seit Jahren entzweit. Schon bei der Europawahl 2014 wollte CSU-Chef Seehofer die Kritik an Griechenland-Hilfen damit aufgreifen, dass er mit Peter Gauweiler einen ausgewiesenen Europa- und Euro-Skeptiker als Frontmann auserkor - woraufhin die CSU allerdings schlecht abschnitt. 2015 explodierte dann der Streit über die Flüchtlingspolitik, der CDU und CSU nach Angaben von Vertretern beider Parteien so nahe an den Bruch der Fraktionsgemeinschaft in Berlin und der Gründung eines CDU-Landesverbandes Bayern und der bundesweiten Ausweitung der CSU brachte wie nie zuvor.

Merkel Regierungserklärung am Mittwoch galt letztlich als Versuch, beide Seiten wieder zusammenzuführen: Denn sie räumte einerseits Fehler in der Flüchtlingskrise ein und betonte, dass sich 2015 nicht wiederholen dürfte. Andererseits verteidigte sie aber ihren Gesamtansatz und spielte genussvoll mit ihrem umstrittenen Satz “Wir schaffen das”. Dass der Versuch keine Ruhe brachte, zeigte die Reaktion: Man werde den Satz zum Islam wenn nötig immer wieder wiederholen, hieß es in der CSU. Denn die Parteiführung will diese islamkritische Position bewusst öffentlich besetzen - und verweist stolz darauf, dass in der GSM-Umfrage 85 Prozent der bayerischen CSU-Wähler und 93 Prozent der AfD-Wähler die Position Seehofers teilen.

Dass die Islam-Debatte dabei die Inthronisierung Söders überschattete, wird trotz der Kritik aus Bayern als nebensächlich abgetan. Der Koalitionspartner SPD bleibt dabei angesichts der Unionsdebatten erstaunlich ruhig - auch weil man eine Chance wittert, sich als die eigentlichen Sacharbeiter in der neuen Regierung präsentieren zu können.

Dass die CSU wie in der Flüchtlingskrise mit Merkel aneinandergerät, wird in der Partei nicht als Problem gesehen. Auf Bundesebene stelle die Kanzlerin doch niemand infrage, wird betont. Aber Vorrang habe nun mal ein erfolgreicher Wahlkampf in Bayern - und da ist die CDU-Chefin ohnehin weniger erwünscht. “Wir werden niemanden daran hindern zu kommen”, heißt es in der CSU-Spitze auf die Frage, ob Merkel im Herbst auf CSU-Veranstaltungen auftreten solle. “Aber wir glauben, die Kanzlerin hat genug anderes zu tun”, lautete der süffisante Zusatz.


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